Freitag, 25. April 2008

25. April


...so so, du dachtest bisher tatsächlich, der 25. April wäre einfach nur der Tag nach dem 24. und vor dem 26. April? Und ausserdem bist du wohlmöglich noch dem Wahn verfallen, die Deutschen hätten die "Friedliche Revolution" erfunden?? Na da hast du dich aber gewaltig geschnitten: Für jeden Portugiesen ist es DER TAG überhaupt - Weihnachten und Ostern sind ein Klax dagegen. ;-)

Auch solche Möchtegern-Portugiesen, die ihr halbes Leben hier verbracht haben, können sich dem einfach nicht entziehen, und jede Touristin, die heute hier am Flughafen in Faro ankommt, bekommt eine Nelke geschenkt: Heute vor 34 Jahren hat sich Portugal von der ältesten und einer der übelsten Diktaturen auf europäischem Boden befreit!!
 (naja, die anderen waren auch nicht besser...).

Den geschichtlichen Einzelheiten dieser besonderen und vor allem friedlichen Erhebung eines geknechteten und ausgeplünderten Volkes, kommt man unter dem Begriff Nelkenrevolution auf die Schliche. Hier möchte ich ein paar persönliche Eindrücke beschreiben, die 10 Jahre nach diesen denkwürdigen Ereignissen auf einer Reise durch dieses wunderschöne, uns bis dato unbekannte Land, mit Sicherheit auch dazu bewogen haben, uns dauerhaft niederzulassen und unsere Kinder hier grosszuziehen.

Unsere Einreise im Januar 84 in einem Wohnmobil ganz im Norden des Landes:
Nach endloser Durchquerung des spanischen Teils der iberischen Halbinsel, die u.a. viel Ödnis und manchen Schock zu bieten hatte, sitzen an einem dürftig asphaltierten kleinen Sträßchen in kaum besiedeltem Gebiet, einige freundlich winkende Menschen beisammen - wir winken natürlich zurück und werden erst nach ca. 50 Metern gewahr, dass dies der Grenzposten gewesen sein muss... upps. Anhalten, Rückwärtsgang und dann lauter lachende, freundliche Menschen, die wir zwar verbal nicht verstehen, aber deren Botschaft ganz eindeutig ist: Herzlich Willkommen!! 
(Soweit ich es erinnere, wollten die nichtmal irgendwelche Papiere sehen!)

Nächster Eindruck:
In der nordportugiesischen Stadt Braga bleiben wir einige Zeit an der fantastischen, weitläufigen Klosteranlage, deren Parkanlage ein absoluter Märchenwald ist. Karin geht mit den Kindern los, um Brot zu besorgen und kommt bald darauf zurück, um mich abzuholen: Wir sind bei einer Familie zum Essen eingeladen, die ein grosses, SEHR uriges Pilgerrestaurant betreibt (Küche und Gastraum gehen in den gewölbeartigen Räumlichkeiten ineinander über und riesige Töpfe stehen auf dem Feuer), da es zu dieser Jahreszeit keine weiteren Gäste gibt, sind wir von dem Tag an wie selbstverständlich JEDEN TAG eingeladen, mit der Familie dort zu Mittag zu essen!

Nachdem wir das ganze Land von Norden nach Süden durchquert haben und überall, manchmal auch längere Zeit, an wunderbaren Plätzen campiert haben und dabei immer die gelassene, heitere Gastfreundschaft der Menschen genossen haben, finden wir in einem wunderbaren Flusstal einem traumhaften Platz, wo unser Lager im Laufe der Zeit immer grösser wird, bis wir dort sogar aus Natursteinen, Holz und Dachpfannen eine afrikanisch anmutende Hütte bauen.




Die Kinder gehen bald mit den anderen Kids aus dem Dorf zusammen in Kindergarten und Schule und überall sind wir nicht nur willkommen, sondern GEHÖREN DAZU! Die Kinderliebe der Portugiesen ist absolut nicht zu toppen und so finden wir überall offene Türen und Herzen. 


Sorry - es ist einfach UNBESCHREIBLICH, aber stell dir bitte mal vor, eine portugiesische Familie würde mit einem Wohnmobil irgendwo in D-land an einem Flußufer ein Lager aufschlagen und sich dort eine Hütte (und später sogar Stallungen!) bauen, dann bekommst du ungefähr einen Eindruck des himmelweiten Unterschieds...
Nicht nur, dass wir geduldet waren, und nicht von irgendeinem blöden Förster spätestens im Morgengrauen unter Polizeiandrohung verjagt wurden - der Polizeichef, der Bürgermeister, der Ladenbesitzer - einfach alle wurden bald zu unseren Freunden!
(Wenn mich heute mal "aus Versehen" ein Polizist anhält, fragt er nur nach den Kindern und ob sonst alles ok ist...)

Noch ein paar kurze Flashlights:
Bento kommt sturzbesoffen mit dem WoMo von einem Dorffest und übersieht am Ortsausgang glatt das Stoppschild. Als der junge Polizist, der mich anhalten will, noch fast in den Strassengraben springen muss, damit ich ihn nicht plattfahre (upps), ist er echt angesäuert und faucht ich solle den Motor abstellen. Bento: "Das geht nicht, der springt dann nicht wieder an!" Polizist: "Dann steig mal sofort aus und komm mit zu Chefe" Bento fällt mehr aus dem Wagen, als dass er aussteigt und peilt mühsam den verschwommen auf der anderen Strassenseite erkennbaren Polizejeep an. Polizeichef grinst und meint: "Was machst du denn hier noch, du solltest längst zu Hause sein" Bento: "Genau da will ich ja hin" PC: "Na dann sieh mal zu" Bento: "Gute Nacht - bis morgen" und FÄHRT(!) fröhlich die 3 km bis zur Hütte... Habe noch nirgendwo auch nur EINE Knolle bezahlt (seit 25 Jahren!) - oder mit irgendeinem Portugiesen Stress gehabt!..
 
Die Kids gehen so gerne in die Schule, dass wir sie am Bett festbinden müssen (Scherz) wenn sie mal krank sind... die Dorflehrerin kommt sie dann auch schonmal besuchen und bringt was Leckeres mit!
Unser Nachbar bringt dem Sohn das Angeln u.v.a. bei und als unsere Schweine mal ausbrechen und einen Teil des Tomatenackers plattmachen, bekommen wir statt einem Anschiss eine riesige Wassermelone geschenkt...

Als wir dann unseren Hof kaufen, geht´s erst richtig los...
aus einer halb verfallenen Ruine wird ein richtiges Haus!


Alle helfen mit beim Aufbau des traumhaften, 10 Jahre nicht genutzten Grundstücks. Der Nachbar pflügt unsere Gärten mit seinen Eseln und jeder hilft dem Anderen wo er nur kann und vor allem: Es gibt immer was zu feiern, man wird ständig eingeladen oder hat selber die Bude voller Leute... ein "Wir-Gefühl", wie ich es bis dahin nichtmal geahnt hatte! 

Soviel ist klar: Wenn du bei uns Stress machen willst, dann hast du gleich die ganze Nachbarschaft an der Backe! ;-)
 
uswuswusw..."die Welt könnte die Bücher nicht fassen, wenn alles aufgeschrieben würde"...

So - und was hat das alles mit dem 25. April zu tun? Ganz einfach:
 
Kein Scheiss Faschismus, keine Schrott Diktatur, sondern:

  • F............rieden
  •        R....echtschaffenheit
  •  E........infachheit
  • I..........nteresse
  • H.........eiterkeit
  • E..........inigkeit
  • I.........ntegrität
  • T..........oleranz


    ***

12 Kommentare:

Günter J. Matthia hat gesagt…

Das klingt ja SOOO genial, dass ich richtig Lust bekomme, das Land und die Menschen mal kennen zu lernen. Fast wie im Märchen. Fast zu schön, um wahr zu sein.

Eine portugiesische Familie in Deutschland... das würde wohl einen ganz und gar anderen Bericht ergeben.

Anonym hat gesagt…

Kann man bei euch Urlaub machen? Vielleicht so mit einem One-Way-Ticket?

*will da hin* *flieg aber morgen erstmal an euch vorbei*

Bento hat gesagt…

uiii - laaangsam Leute! Also bevor jetzt halb D-land die Koffer packt und panikartig das Land verlässt, muss ich gestehen, dass ich zwar nicht übertrieben habe, dass sich die Gegenbenheiten in dem vergangenen viertel Jahrhundert selbst in Portugal - zwar sehr langsam - aber doch VERÄNDERT haben!!
Ignoranter Massentourismus, überhebliche Ausländer, die hier mit viel Kohle den Dicken machen, sich Land kaufen und riesigee Villen bauen, aber nach 10 Jahren ausser bom dia kein Wort portugiesisch sprechen, geschweige denn die Kultur und die Leute verstehen (da könnte ich oft im Boooden versinken - so peinlich ist das!!) - all das hat Spuren hinterlassen... und nicht zu vergessen der demographische Faktor: Die Generation, die diese Diktatur miterlebt, die Revolution angezettelt und den Wert der Freiheit wirklich zu schätzen weiß, stirbt allmählich aus und die junge Generation versucht - so wie überall - die persönliche Freiheit durch möglichst viel Kohle zu erkaufen... das alles geht voll nach hinten los, Korruption und ökolog. Misswirtschaft tun ein Übriges uswusw. - so einen Film, wie wir den erlebt haben, kann man heute wohl kaum noch drehen... aber Portugal ist immernoch ein aussergewöhnliches Land auf dem Planeten mit den friedliebendsten Menschen, denen man begegnen kann!

Anonym hat gesagt…

Klasse: günter j. matthia und sabina = halb Deutschland :-D

Anonym hat gesagt…

es ist schade, kann die portugiesen verstehen in bezug auf auländer. glaube das alle völker die eigenen Wurzel wieder finden muss und mit respekt gegenüber antreten. Und sie brauchen Jesus die die Wunden heilt.

Günter J. Matthia hat gesagt…

yo! coole rechnung. demnach bin ich 1/4 deutschland. sabina ist das zweite viertel. der gastgeber dieses blogs scheidet ja aus - also wer bitte stellt die anderen beiden viertel dar?

:-)

Bento hat gesagt…

sachma - wollt ihr mich veräppeln??
(ich hab nat. dabei an die "schweigende Mehrheit" gedacht)...
ausserdem weiß doch jeder, dass mit den anderen beiden Vierteln, nur die andere Hälfte gemeint sein kann... tztztz

nur Robert ist wenigstens konstruktiv "sie brauchen Jesus, der die Wunden heilt"
- so isses!

:-)

Anonym hat gesagt…

ich muss kommen... ehrlich... weder andichrists frau noch er selber wissen wie man oliven erntet... stellten wir gestern fest...
und manchmal denke ich dann schon, wenn ich den briefkasten öffene und fiese deutsche post lese : ich hau ab zum bento, der schmeisst eh keinen raus... ;-)

Bento hat gesagt…

...das stimmt Andi - liegt aber eher daran, dass ich die, die man rausschmeissen müsste, gar nicht erst reinlasse.. *lol*

Anonym hat gesagt…

mhhh zieht mitleid ? ich könnte doch einiger meiner alten kinder imitierren und meine frau als erzieherin beantragt eine "individual massnahme " ;-)

Bento hat gesagt…

nöö - Simulanten fliegen sofort raus ;-)
aber die Oliventherapie für Zivilisationsopfer ist ne krasse Idee - das ich da noch nich drauf gekommen bin...

Anonym hat gesagt…

hat so ein bissel was von kloster... nur das statt bier brauen oliven geerntet werden...

andichrist